Erinnern Sie sich an spezifische Situationen, in welchen es Ihnen gut gelungen ist, die Klasse zu führen und mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen.
Notieren Sie sich diese
Gewichten Sie dabei möglichst Folgendes:
- Welche Elemente sind Ihnen besonders wichtig und welche möchten Sie anstreben?
- Welche Elemente könnten für spezifische Schülerinnen und Schüler mit herausfordernden Verhaltensweisen in besonderen Situationen hilfreich sein?
Klassenführung fordert auch erfahrene Lehrpersonen heraus
Ein positives, tragendes und Sicherheit gebendes Klassenklima aufzubauen und zu erhalten, ist allen Lehrpersonen sehr wichtig. Dies zu erreichen fordert alle Lehrpersonen heraus, genauso erfahrene Lehrpersonen (Keller-Schneider, 2020a).
Eine positive und lernförderliche Klassenführung ist nicht nur Ziel von kollektiven Entwicklungsprozessen, sondern insbesondere auch Voraussetzung für das Lernen, die Entwicklung und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler (Schürer et al., 2021; Seethaler et al., 2019).
Eine Klassenkultur will laufend gepflegt und weiterentwickelt werden (vgl. Keller-Schneider, 2018, Kap. 5). Dabei ist das komplexe Gefüge einer Klassenkultur störungsanfällig. Auffälliges und von den Erwartungen der Lehrperson abweichendes Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler wirkt sich auf das Klassenklima insgesamt aus. Lehrpersonen sind gefordert, mit herausfordernden Verhaltensweisen ihrer Schülerinnen und Schüler und damit einhergehenden Unterrichtsstörungen umzugehen.
Klassenführung aus systemischer Perspektive
Betrachten wir eine Klasse aus einer umfassenden und dynamischen Perspektive (systemische Perspektive; Jooss, 2014; vgl. auch Kannicht & Schmid, 2018), so umfasst ein Ganzes mehr als die Summe ihrer Teile.
Eine Klasse besteht nicht nur aus den einzelnen Schülerinnen und Schülern, die als individuelle Personen die Klasse prägen, sondern auch aus den Beziehungen, die zwischen ihnen bestehen, und der Wirkung, die spezifische Beziehungen auf andere Schülerinnen und Schüler sowie auf andere Beziehungen haben.
- Besteht eine Freundschaft zwischen Schülerinnen und Schülern, weil sie sich schätzen – oder weil sie sich als Gruppe besser gegen andere abgrenzen können?
- Bestehen Konflikte zwischen Schülerinnen und Schüler, weil unterschiedliche Ansichten und Bedürfnisse aufeinanderprallen – oder um Beziehungen in der eigenen Konfliktpartei zu stärken?
- Werden Streite «angezettelt», um eigene Sichtweisen und Bedürfnisse durchzusetzen – oder um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken?
Ein Blick auf das System als Ganzes und auf die Bedeutung eines herausfordernden Verhaltens im Kontext der Klasse entlastet die Schülerinnen und Schüler. Dieser «umfassende» Blick ermöglicht, weitere Ansätze für Veränderungen zu erkennen.