Unterrichtszeit zu nutzen, stellt ein zentrales Qualitätsmerkmal von Unterricht dar (Helmke, 2009; Meyer, 2008). Befolgte Regeln und geklärte Abläufe tragen zum Unterrichtsfluss bei. Schülerinnen und Schüler mit herausforderndem Verhalten neigen dazu, diese Regeln zum einen bewusst und zum anderen unbewusst zu übertreten sowie bestimmte Abläufe möglicherweise nicht zu befolgen. Der Unterrichtsfluss wird so unterbrochen. Oft geht dabei aktive Lernzeit verloren. Intervenierendes und sanktionierendes Verhalten der Lehrperson unterbricht ebenfalls den Unterrichtsfluss.
Ein geklärtes, den individuellen Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler angemessenes Unterrichtsgeschehen trägt zu einem guten Lernklima bei. Das Unterrichtsgeschehen richtet sich dabei an Lernziele aus.
Unterrichtszeit nutzen.
Beobachten Sie Ihr Unterrichtshandeln:
Wieviel Unterrichtszeit geht ins Erklären: Beispielsweise Input- und Erarbeitungsphasen sowie Lernunterstützung?
Wieviel Zeit geht in die Organisation von Unterricht: Abläufe klären, Materialien beschaffen und verteilen sowie Materialien versorgen?
Wieviel Zeit geht in die Begleitung von Verhalten und in den Umgang mit Störungen?
Wieviel Zeit investieren Sie in Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler?
Wieviel Zeit investieren Sie, um Lernprozesse zu ermöglichen und zu fördern (Lernunterstützung)?
Streben Sie eine hohe aktive Lernzeit für möglichst viele Schülerinnen und Schüler an. Damit können Sie möglicherweise eine neue Dynamik in Ihrem Unterricht anstossen.
Sinnvolle und den individuellen Möglichkeiten angemessene Anforderungen stellen.
Prüfen Sie, inwiefern es den einzelnen Schülerinnen und Schüler möglich ist, die Anforderungen im Unterricht zu erfüllen und dabei Ihren Erwartungen zu entsprechen. Nicht erfüllbare oder zu wenig herausfordernde Anforderungen können Schülerinnen und Schüler dazu verleiten, sich alternative Beschäftigungen im Unterricht zu suchen. Angepasste Anforderungen und eine Lernbegleitung, die sowohl das Lernen als auch die Inhalte fokussiert, ermöglichen den Schülerinnen und Schüler sich im Unterricht zu engagieren und ihre Fähigkeiten einzubringen.
Entsprechen die gewählten Anforderungen dem Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler?
Entsprechen die gewählten Anforderungen dem Leistungsniveau der einzelnen Schülerinnen und Schüler?
Orientieren sich die gewählten Anforderungen an das Leistungsniveau des Durchschnitts der Schülerinnen und Schüler?
Falls ja, so sind etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler möglicherweise über- oder unterfordert. Diese suchen sich «Alternativtätigkeiten», die sich oft in Unterrichtsstörungen zeigen.
Suchen Sie nach Möglichkeiten, Lernangebote mit verschiedenen Erarbeitungsniveaus zu erstellen, welche die Schülerinnen und Schüler selbstgesteuert wählen. Damit verschiebt sich Ihre Erwartung weg vom Lösen bestimmter Aufgaben hin zu einer niveaugerechten Bearbeitung für alle.
Abläufe klären.
Reibungslose und arbeitsbezogene Abläufe spielen sich ein und geben den Schülerinnen und Schüler Sicherheit. Unklare Abläufe, die sich regelmässig verändern, können Schülerinnen und Schüler verunsichern. Meistens nehmen diese Veränderungen zudem viel Zeit in Anspruch.
Für die Schülerin/den Schüler steigt das Risiko, etwas nicht «richtig» gemacht zu haben: Sei das ein Arbeitsblatt, dass an den «falschen» Ort gelegt worden ist, eine Aufgabe, die in einer «falschen» Reihenfolge bearbeitet wurde, oder einen Eintrag im unpassenden Heft.
Klären Sie Abläufe:
Abläufe sollen das Arbeiten erleichtern.
Klären von Abläufen auf ein zeitliches Minimum reduzieren. Was braucht es wirklich?
Abläufe ritualisieren. Was soll immer gleich ablaufen. Die Schülerinnen und Schüler wissen zum Beispiel, dass Arbeitsabfolgen an der Tafel stehen oder mit Symbolbildern visualisiert sind, so dass sie sich jederzeit daran orientieren können.
Inwiefern sind die Abläufe sinnvoll? Vermeiden Sie arbeitsintensive Abläufe. Welche Schritte und Vorgaben sind hilfreich, damit die Schülerinnen und Schüler zielgerichtet arbeiten können?
Sachbezogene Aufträge erteilen.
Als Kurzformel für geklärte Aufgaben dienen die folgenden Leitfragen:
«Wer tut was, wie, mit wem, wozu, wozu so, wo, wie lange und was danach?» (Vgl. Keller-Schneider, 2018, S. 114f.).
Wenn Sie sich diese Arbeitsschritte genau überlegen und auf das Wesentliche reduzieren, so sind Sie frei, Ihren Unterricht ziel- und adressatenbezogen umzustellen, sobald sich etwas verändert.
Die Leitfragen «Wozu so?» und «Wozu?» ermöglichen Ihnen ein rasches und adaptives Entscheiden. Ideen der Schülerinnen und Schüler lassen sich leichter im Unterrichtsgeschehen integrieren, ohne dass Sie dabei den roten Faden und die Hauptausrichtung verlieren.
Den Unterricht auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet planen.
Als eigenverantwortlich unterrichtende und ausgebildete Lehrperson verändert sich Ihre Unterrichtsplanung. Die ausführlichen schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen entfallen. Erste Routinen und Sicherheiten in der Unterrichtsplanung haben Sie erworben.
Aufgrund dieser ersten Sicherheit sind Sie nun fähig, die Aufmerksamkeit Ihres Handelns zunehmend von sich weg und hin auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler auszurichten. Damit stellen Sie das Lernen der Schülerinnen und Schüler ins Zentrum Ihrer Planung. Ihr Handeln als Lehrperson soll dieses Lernen ermöglichen.
Richten Sie Ihre Planung nach der folgenden Überlegung aus:
Was sollen die Schülerinnen und Schüler lernen und was brauchen Sie von mir als Lehrperson, um dies lernen zu können?
Planen Sie den Unterricht so, dass Sie vom Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgehen (Keller-Schneider, 2018, 119).
Gliedern Sie den Unterricht in Teilschritte.
Klären Sie, was die Schülerinnen und Schüler dabei lernen.
Klären Sie, was es dazu von Ihnen braucht:
eine Einführung,
eine geklärte Aufgabe mit unterschiedlichen Anspruchsniveaus,
mehr Zeit, damit die Schülerinnen und Schüler vertiefter daran arbeiten können
oder zusätzliche Einzelbetreuung.
Ihre Rolle ist vielfältig: Die Lehrperson unterstützt das Lernen der Schülerinnen und Schüler und ergänzt ihre Aktivitäten. Ihr Lehrhandeln als Lehrperson steht ergänzend, das heisst komplementär, zu den Handlungen der Schülerinnen und Schüler.
Helmke, A. (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung.
Keller-Schneider, M. (2018). Impulse zum Berufseinstieg von Lehrpersonen. Grundlagen – Erfahrungsberichte – Reflexionsinstrumente (Kap. 2). Bern: hep.
Kiel, E., Haag, L., Keller-Schneider, M. & Zierer, K. (2014). Unterricht vorbereiten, durchführen, reflektieren. Berlin, München: Cornelsen.
Meyer, H. (2008). Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen.