Schülerin/Schüler in den Blick nehmen

Die Situation auf die Schülerin oder den Schüler ausgerichtet verstehen und erklären 1 Was braucht die Schülerin oder der Schüler? Auf welche Bedürfnisse könnte das herausfordernde Verhalten hinweisen? 2 Was braucht die Lehrperson, um die Schülerin/den Schüler zu verstehen? 3 Belohnen, bestrafen oder fordernd dranbleiben? 4 Eltern/Erziehungsberechtigte einbeziehen 5

4. Belohnen, bestrafen oder fordernd dranbleiben?

«Was mache ich, wenn… und was mache ich, wenn das auch nicht klappt?»

Inwiefern ein bestimmtes Fehlverhalten zu Konsequenzen führen soll und wie diese erfolgen, wird von den individuellen Sichtweisen einer Lehrperson oder eines Kollegiums geprägt. Konsequenzen ergeben sich aus bestimmten Erwartungen, die teilweise als explizite Regeln Gültigkeit haben und befolgt werden müssen. Konsequenzen können auf zwei grundlegend verschiedene Arten erfolgen (Keller-Schneider, 2018, S. 299):


Sanktion

Sanktion beinhaltet eine, von aussen kommende Intervention, die auf ein Fehlverhalten folgt und in der Regel von der Lehrperson erteilt wird. Hinter Sanktionen steht eine bewusste Entscheidung der Lehrperson, ein spezifisches Verhalten auf eine spezifische Art zu sanktionieren.

Beispiele: Die Regel ist, alle Schülerinnen und Schüler lösen ihre Hausaufgaben, bringen in den Sportunterricht Sportkleider mit. Eine Schülerin/ein Schüler hat die Hausaufgaben beziehungsweise die Sportkleider vergessen. Es folgt eine Sanktion. Das Fehlverhalten wird mit einem Strich vermerkt (als Teil eines Sanktionierungssystems). Nach mehreren Strichen erfolgt ein «Eintrag». Was darunter verstanden wird, variiert. Klar ist, dass ein «Eintrag» disziplinierend gemeint ist und weitere Sanktionen ankündigt.


Logische Folge

Eine sachlogische Konsequenz ergibt sich aus dem Sachverhalt. Sachlogische Konsequenzen können auch bewusst eingeleitet werden.

Beispiele: Die Regel ist, dass Schülerinnen und Schüler in den Sportunterricht Sportkleider mitbringen. Eine Schülerin oder ein Schüler hat die Sportkleider vergessen. Als sachlogische Konsequenz folgt, die Schülerin oder der Schüler darf nicht mitturnen oder sie/er leiht sich von anderen Schülerinnen/Schülern bzw. aus einer gemeinsamen Kiste Sportkleider aus. Eine Schülerin/ein Schüler vergisst die Hausaufgaben mitzubringen. Daraus ergibt sich die Folge, dass sie/er diese bei der nächsten Gelegenheit (am Nachmittag, am nächsten Tag) mitbringt.

Vergisst die Schülerin/der Schüler mehrmals die Hausaufgaben oder die Sportkleider (ohne, dass dies genau gezählt wird), bespricht die Lehrperson mit der Schülerin/dem Schüler, wie es denn dazu kommt, dass dies immer wieder passiert. Was kann sie/er tun und was braucht es, damit es nicht mehr passiert.

Vgl. Die Situation auf die Schüler oder den Schüler ausgerichtet verstehen und erklären

Vgl. Was braucht die Lehrperson, um die Schülerin/den Schüler zu verstehen?


Folgende Fragen können zur Klärung der eigenen Sichtweise beitragen:

  • Wie lernen Schülerinnen oder Schüler? Durch Einsicht oder durch Sanktionen?
  • Wieviel Zeit soll in die Bewertung von Verhalten fliessen?

Sanktionen können sich als Strafe zeigen, die auf ein Fehlverhalten folgen, oder als Belohnung, wenn das Fehlverhalten nicht erfolgt. Positive Sanktion können als Reaktion auf erwünschtes Verhalten folgen. In beiden Fällen richtet sich die Schülerin/der Schüler auf eine von aussen erfolgte Reaktion aus. Die Sanktionierung von Fehlverhalten (negativ, als Bestrafung) oder von erwünschtem Verhalten (positiv, als Belohnung) kommt von der Lehrperson. Die Schülerin/der Schüler steht in einer Abhängigkeit zur Lehrperson und ihrer Wahrnehmung sowie zur Beurteilung von Verhalten. Dabei können Stimmungen der Lehrperson zu inkonsequenten Sanktionen führen. Sanktionierendes Verhalten der Lehrperson kann Diskussionen darüber auslösen, ob die Sanktion gerechtfertigt ist, das heisst, ob sich das positive oder das negative Verhalten tatsächlich ereignet hat.

Bei sachlogischen Konsequenzen, die sich als Folge ereignen, ist das Machtgefälle zwischen Lehrperson und der Schülerin/dem Schüler geringer. Die Sache steht im Vordergrund.

Sanktionen, die von der Lehrperson als Konsequenzen ausgeübt werden, können zu Konflikten führen. Sachlogische Konsequenzen fokussieren deutlicher auf das anzustrebende Verhalten selbst. Sie erfolgen aus der Sache heraus oder im Gespräch.

Beispiel: «Kommt mucksmäuschenstill in den Kreis».

Dabei stellt sich die Frage, wozu die Schülerinnen und Schüler ruhig in den Kreis kommen sollen. Befürchtet die Lehrperson Kontrollverlust? Die Kontrolle über den gesamten Prozess zu halten und Schülerinnen und Schüler, die nicht still sind, zu sanktionieren, stört den Unterrichtsfluss und stellt nicht sicher, dass die Schülerinnen und Schüler im Kreis dann auch wirklich ruhig sind. Rufen Sie die Schülerinnen und Schüler (ohne Angabe zur Lautstärke) in den Kreis und führen Sie sie über eine Aktivität zur Ruhe, sobald sie im Kreis sind.


Grundlegende Überlegungen

  • Wieviel Störung erträgt ein Unterricht?
  • Welchen Beitrag leistet die Lehrperson durch unklare Anweisungen oder durch Zurechtweisungen?

  • Frick, J. (2007). Die Kraft der Ermutigung. Göttingen: Hogrefe.
  • Heuer, S. (2021). Strafe als pädagogisches Prinzip. Kritik einer sozialen Praxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Keller-Schneider, M. (2018). Impulse zum Berufseinstieg von Lehrpersonen. Grundlagen – Erfahrungsberichte – Reflexionsinstrumente (Kap. 5.4.5). Bern: hep.
  • Nolting, H. (2002): Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Weinheim, Beltz.

Mehr dazu: Eltern/Erziehungsberechtigte einbeziehen

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