Sichtweise der Schülerin oder des Schülers in den Blick nehmen
Die Sichtweise der Schülerin oder des Schülers in den Blick zu nehmen und aus ihrer oder seiner Sicht die Situation zu verstehen, ermöglicht einerseits der Schülerin oder dem Schüler, ihr oder sein Erleben zu schildern, sich einbringen und Mitverantwortung übernehmen zu dürfen. Andererseits ermöglicht es Ihnen, die Handlungslogik zu verstehen und sich den unterschiedlichen Sichtweisen klar zu werden.
Wie sieht die Schülerin oder der Schüler ihr oder sein Verhalten?
Gespräch mit der Schülerin oder dem Schüler führen:
Setzen Sie sich mit der Schülerin oder dem Schüler an einen Tisch, leiten Sie das Gespräch ein und legen Sie dar, dass Sie die Sichtweise der Schülerin oder des Schülers erfahren möchten. Darauf aufbauend versuchen Sie Vorgehensweisen zu erarbeiten, Lösungen zu finden und Umsetzungen abzuleiten.
Wie erklärt die Schülerin oder der Schüler ihr oder sein Verhalten?
Die Sichtweise der Schülerin oder des Schülers auf den Vorfall (Selbstbericht) ins Zentrum stellen.
Die Schülerin oder der Schüler stellt in einem kurzen Text oder in einer Zeichnung dar, wie sie oder er aus ihrer oder seiner Sicht zur Situation gekommen ist.
Im Anschluss erklärt Ihnen die Schülerin oder der Schüler die Situation, so dass Sie in Ruhe ihre oder seine Sichtweise hören und nachvollziehen können. Damit zeigen Sie der Schülerin oder dem Schüler Anerkennung und Respekt.
Daran anschliessend kann gemeinsam entwickelt werden, wie die Schülerin oder der Schüler von ihrer oder seiner Sichtweise ausgehend eine Strategie finden kann, um das erwünschte Verhalten zu zeigen und was es von Ihnen braucht, um diesen Weg zu gehen.
Was braucht die Schülerin oder der Schüler, um das Verhalten zu verändern?
Erwartungen der Lehrperson kennen
Damit die Schülerin oder der Schüler bestimmte Erwartungen erfüllen kann, muss sie oder er wissen, welches Verhalten sie oder zeigen soll. Verbote bestimmter Handlungen (vermeiden) oder abstrakte Erwartungen (fair spielen, Respekt zeigen) sind oft nicht verständlich und daher wenig hilfreich. Hinweise müssen Möglichkeiten (nicht Nicht-Möglichkeiten) umfassen und mit Sinn gefüllt sein, um verstanden zu werden.
Beispiele:
Was versteht die Schülerin oder der Schüler unter Fairness?
Wie zeigt sich diese ihrer oder seinen Vorstellungen entsprechend?
Was versteht die Schülerin oder der Schüler unter Respekt?
Weiss sie oder er, wie sich respektvolles Verhalten zeigt?
Um Sichtweisen und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler zu kennen und zu verstehen, können Sie diese Fragen auch im Klassenrat besprechen. Dabei können Gespräche über solche Begriffe geführt werden, die in Ihren Klassenregeln verwendet werden und von denen Sie ausgehen, dass alle dasselbe darunter verstehen.
Erkennen, was die Schülerin/der Schüler selbst tun kann, um den Erwartungen zu entsprechen
Verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern ist oft nicht klar, was genau anders gemacht werden soll und wie sie sich verhalten sollen. Oft ist nur klar, dass etwas falsch ist, manchmal auch, was nicht gemacht werden darf. Oft weiss die Schülerin/der Schüler jedoch nicht, was sie/er denn tun soll und wie sie/er das tun soll.
Suchen Sie mit der Schülerin und dem Schüler konkrete Verhaltensweisen, die zum gewünschten Verhalten führen.
Suchen Sie mit der Schülerin und dem Schüler auch konkrete Verhaltensweisen, die unerwünscht sind. Erklären Sie der Schüleri und dem Schüler, was daran unerwünscht ist und wie das Fehlverhalten stört.
Entwickeln Sie zusammen mit der Schülerin und dem Schüler konkrete Verhaltensweisen, wie sich die Schülerin und der Schüler in dieser spezifischen Situation den Erwartungen entsprechend verhalten soll.
Lassen Sie der Schülerin und dem Schüler diese gewünschten Verhaltensweisen aufschreiben oder skizzieren
Mögliche Konkretisierung:
Die Schülerin oder der Schüler schreibt oder zeichnet diese erwünschten Verhaltensweisen je auf eine Karte.
Die Schülerin oder der Schüler wählt einzelne Karten mit Verhaltensweisen auf, auf die sie oder er achten will. Sie beraten die Schülerin oder den Schüler, damit Karten mit erfüllbaren Verhaltensweisen ausgewählt werden.
Am Ende eines Tages (später am Ende mehrerer Tage oder einer Woche) wird gemeinsam besprochen, inwiefern das erwünschte Verhalten aus der Sicht der Schülerin oder des Schülers und aus Ihrer Sicht beobachtet wurde.
Das beobachtete erwünschte Verhalten soll möglichst konkret beschrieben werden: Was war, wann war das, wie war der Kontext, was hat es ermöglicht ….
Auf diese Weise wird die Vorstellung der Schülerin oder des Schülers über das erwünschte Verhalten und über ihre oder seine Erfolge gestärkt.
Selbstbeobachtungsfähigkeit nutzen und fördern
Um die Selbstbeobachtungsfähigkeit der Schülerin/des Schülers zu stärken, soll an dem Punkt angesetzt werden, an welchem die Schülerin/der Schüler über sein Verhalten berichtet. Im Fokus steht also die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten. Die Schülerin/der Schüler nimmt dabei zu sich Distanz ein und «blickt auf sich selbst». Dabei ist die subjektive Sichtweise im Vordergrund. Das erwünschte Verhalten selbst wird nur in zweiter Linie betrachtet. Auf diese Weise trainiert die Schülerin/der Schüler sich selbst zu beobachten.
Sobald die Schülerin/der Schüler die Fähigkeit zeigt, sich selbst zu beobachten, verschieben Sie den Fokus auf das erwünschte Verhalten. Stärken Sie die Schülerin/den Schüler dafür, dass sie/er sich nun selbst beobachten kann, dass sie/er nun also über diese Kompetenz verfügt.
Die Selbstbeobachtungsfähigkeit ist eine Voraussetzung für Selbststeuerungsfähigkeiten. Sie ist je nach Zielstufe unterschiedlich stark ausgeprägt. Auch wenn sie bei jüngeren Schülerinnen und Schüler noch anspruchsvoll ist, lohnt es sich diese zu trainieren.
Sich selbst im eigenen Tun zu erkennen, stellt hohe Anforderungen an Metakognition und Reflexion. Doch ohne diese Fähigkeit ist Selbststeuerung nicht möglich.
Bereitschaft, das Steuer in die Hand zu nehmen und sein Verhalten zu ändern
Schülerinnen und Schüler sind sich oft nicht bewusst, dass sie das Steuer über ihr eigenes Tun in die Hand nehmen müssen und dass sie weder von Eltern noch von Lehrpersonen steuerbar sind. Das Bild des ferngesteuerten Spielzeugautos oder von zu steuernden Figuren und Fahrzeugen in Videogames kann verdeutlichen, dass die Schülerin/der Schüler nicht über eine Fernsteuerung funktioniert. Über diesen Vergleich wird deutlich, dass jeder Mensch eigenaktiv ist und sich selber steuert. Dazu sind jedoch Bereitschaft und Willenskraft (Volition) erforderlich, sich selbst zu steuern, um Hindernisse zu überwinden.
Schülerinnen und Schüler, die sich wenig wirksam erleben, neigen dazu, sich nach den Reaktionen ihres Umfeldes auszurichten. Sie folgen möglicherweise von aussen kommenden Impulsen und Anweisungen und reagieren dabei sprunghaft oder gar unsicher. Sie verfügen über keinen inneren oder verinnerlichten Handlungsplan und können sich nicht auf sich selbst und auf verankerte Vorstellungen stützen (niedrige Selbstregulation).
Zeigen Sie der Schülerin/dem Schüler auf, wie sie/er die Fernsteuerung selbst in die Hand nehmen kann.
Vielleicht hilft der Vergleich mit einer Fernsteuerung auch den Eltern oder Erziehungsberechtigen, um ihrem Kind mehr und mehr zuzutrauen.
Sich selbstwirksam erleben
Sich selbst als wirksam zu erleben ist eine Voraussetzung für die Bereitschaft, sich selbst zu steuern. Zu erleben, wie das eigene Tun etwas bewirkt und für andere von Bedeutung ist, stärkt die Schülerin/den Schüler. Aufgrund der eigenen Wirksamkeit und der Wirkung der eigenen Handlungen wächst der Wunsch, sich selbst zu beobachten und zu lenken, um von den anderen so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht
Positive Erfahrungen, dass etwas gelingt, gut ist, Freude bereitet und so weiter sind zentral, um Vertrauen zu entwickeln, insbesondere um dabei selbst etwas tun zu dürfen und sich lösungsorientiert einbringen zu können.
Sich wirksam zu erleben ist insbesondere beim Erreichen von Lernleistungen von hoher Bedeutung. Lernen und erwünschtes Verhalten sollen in Bezug zueinander gesetzt werden.
Sich wirksam zu erleben umfasst kognitive, emotionale und soziale Kompetenzen und zeigt sich in der erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen.
Beobachten Sie Schülerinnen und Schüler, inwiefern sie sich wirksam erleben können.
Stärken Sie Schülerinnen und Schüler, indem Sie der Schülerin/dem Schüler Ihre positiven Beobachtungen zurückmelden.
Sagen Sie der Schülerin/dem Schüler, was sie/er Gutes gemacht und damit zum Ganzen beigetragen hat.